ehemalige Jüdische Synagogengemeinde Witten
1854 wurden für den Land- und Stadtbezirk Bochum drei Synagogengemeinden gebildet. Den 3. Bezirk bildete die Stadt Witten, wozu als Außengemeinden noch die Gemeinden der Bürgermeisterei Blankenstein und Langendreer, nämlich die Gemeinden Blankenstein, Buchholz und Stiepel, Werne und Langendreer kamen. Ferner noch die Amtsbezirke Herbede, Annen und Wullen.
Gerrit Haaren: Geschichte der Stadt Witten, 1924, S. 421; Stadtsekretair Hassel: Witten Ortskunde und Ortsgesetze, 1902 S. 1010
Um 1861 erwirbt die Jüdische Gemeinde in der Weidengasse 6 ein Haus für Schulzwecke und richtet hier auch einen Gebetsraum ein. Als die Gemeinde größer wurde und das Haus nicht mehr reichte, verkauft man am 15.02.1870 das Haus und mietete dasselbe für Schule und Tempel sowie Lehrerwohnung für den jährlichen Mietpreis von 120 Tlr.
Während dieser Zeit ging die Gemeinde dazu über, ein eigenes Schulhaus mit Betsaal herzustellen. An der Nordstraße 19 wurde ein Platz gekauft. Platz und Neubau verschlangen die Summe von 47.040 Mark. Pfingsten 1872 begannen die Bauarbeiten für das neue Schulhaus. Ostern wurde das Schulhaus in Betrieb genommen. Der Betsaal, im zweiten Stock gelegen, konnte am 19.09.1873 durch den Lehrer und Prediger Jacob Ostwald (* 1863 † 1910) eingeweiht werden.
Gerrit Haaren: Geschichte der Stadt Witten, 1924, S. 420
1880 gab es in der Stadt Witten 378 jüdische Einwohner. Im gleichen Jahr scheiden die Herbeder Juden aus dem Wittener Synagogenverband aus und bilden eine eigene Synagogengemeinde.
www.verwaltungsgeschichte.de; Gerrit Haaren: Geschichte der Stadt Witten, 1924, S. 422
Am 18. November 1879 wurde ein gemischter Synagogenchor Gegründet, der sowohl hebräische als auch deutsche Lieder sang. Im Januar 1880 wurde dafür ein Harmonium angeschafft. Am 10. März 1881 fasst die Synagogengemeinde den Beschluss, den Gottesdienst zu reformieren.
Benno Reicher: Jüdische Geschichte und Kultur in NRW
Inzwischen ging die Wittener jüdische Gemeinde dazu über, für eine zu errichtende Synagoge einen geeigneten Platz zu erwerben. Ein Grundstück an der Breite Straße 52/ Kurzestraße wurde ausgewählt (Beschluß vom 17. bzw. 30. April 1884).
Gerrit Haaren: Geschichte der Stadt Witten, 1924, S. 420; Stadtsekretair Hassel: Witten Ortskunde und Ortsgesetze, 1902 S. 1010
Lageplan mit Betsaal und Synagoge um 1885
Im Januar 1885 bewilligt die Gemeindevertretung 4000 Mark zur Beschaffung einer Orgel für die neue Synagoge.
Am Freitag, 20. März 1885 wird der Grundstein zur Wittener Synagoge gelegt. Der Prediger Jacob Ostwald (* 1863 † 1910) hielt die feierliche Ansprache und der Vorsitzende des Synagogenvorstand Ascher Löwenstein (* 1826 † 1908), verlas die Urkunde:
Möge der Bau, in so edler Absicht begonnen, auch den spätesten Geschlechtern zum Segen gereichen. Morgen, am heiligen Sabbat, wird in unserem Gotteshaus eine doppelte Feier stattfinden, nämlich zum Geburtstage unseres erhabenen Kaisers Wilhelm I und zur Grundsteinlegung unseres Tempels. In feierlicher Rede, in Lob- und Dankgesängen, wollen wir den Höchsten preisen für das Glück, einen edlen Kaiser zu besitzen und einen Tempel zu erhalten.
So geschehen, Witten, den 20. März 1885, den 4. Adar 5645, im 88. Lebens- und im 24. Regierungsjahre unseres erlauchten Kaiser und Königs Wilhelm I.
Danach wurde die Urkunde unterschrieben und mit dem Gemeindesiegel versehen in einem Glasbehälter gelegt, der wiederum in den Grundstein gelegt wurde.
Nach Bauplänen des Wittener Architekten Franz Xaver Rademacher (* 1847 † 1908) wurde an der Breite Straße 52, Ecke Kurzestraße ein 2 geschossiges längliches Hallengebäude im romanischen Rundbogenstil mit maurischen Motiven erstellt. Die Synagoge wurde im Juni 1885 Fertiggestellt. Die Baukosten und Grunderwerbskosten betrugen 80.500 Mark.
Stadtsekretair Hassel: Witten Ortskunde und Ortsgesetze, 1902 S. 1010
Am 27. November 1885 wurde die Synagoge durch den Rabbiner Dr. Heinrich Jaulus (* 1849 † 1927) aus Aachen eingeweiht. Der Geistliche legte seiner Weiherede die Bibelworte zugrunde: "Diesen Tag hat Gott geschaffen, wir wollen jubeln und uns freuen miteinander". Zur Einweihung kam Bürgermeister Maximilian Bürkner (Bürgermeister von 1883 - 1889), Vertreter des Stadtrats, sowie Bürger der christlichen Konfessionen.
Gerrit Haaren: Geschichte der Stadt Witten, 1924, S. 423; WAZ 28.11.2001
Blick vom Rathausturm über die Gedächtniskirche, in der Bildmitte die Kuppel der Synagoge
Die Wittener Synagogengemeinde zählte 1925 in der Stadt Witten 311 jüdische Einwohner, hinzu kamen aus der Landgemeinde Annen-Wullen (Kreis Hörde) 32 jüdische Einwohner und aus Langendreer (Kreis Bochum) weitere 82 jüdische Einwohner. In den folgenden Jahren nahm die Zahl der jüdischen Einwohner stetig ab.
www.verwaltungsgeschichte.de
* * * * *
Die Synagoge wurde in der Nacht zum 10. November 1938 (Reichspogromnacht) geschändet und niedergebrannt.
Im August 1939 wurden die Brandtrümmer der Synagoge gesprengt und abgetragen, auf dem Grundstück wurde ein Löschteich errichtet.
In der Stadt Witten zählte man im gleichen Jahr nur noch 92 Einwohner jüdischen Glaubens.
www.verwaltungsgeschichte.de
Der Friedhof der Jüdischen Synagogengemeinde Witten
Am 18. März 1867 erwarb die Synagogengemeinde Witten den 1021 m² großen Friedhof an der Egge für 80 Tlr. 21 Sgr ( 80 Taler 21 Silbergroschen), heute Parkweg, den sie 1844 in Erbpacht erhalten hatte. Der Friedhof wurde aber bereit 1900 geschlossen, da er zu klein war und nicht erweitert werden konnte. Die Grabsteine wurden zum Teil auf dem Friedhof Ledderken wieder aufgestellt.
1938 wurde der Friedhof von den Nazis dem Boden gleich gemacht.
Einige Grabsteine stehen auf dem Friedhof im Ledderken.
Grabstein links: Amalie Blank † 21. April 1884, rechts: Samuel Stern † 2. März 1895
Am 20. Oktober 1891 erwarb die jüdische Gemeinde den Grund im Ledderken zur Errichtung des neuen Friedhofs. Der Friedhof war 1 M. 17 R. (1 Morgen 17 Ruten) groß und wurde zum Preis von 20 Mark die Rute angekauft. Nachdem er in Benutzung genommen, wurde der alte, auf der Egge sich befindliche Friedhof geschlossen.
Gerrit Haaren: Geschichte der Stadt Witten, 1924, S. 420,423
Im Mai 1939 kaufte das Diakonissenhaus den unbelegten Teil des Friedhofes im Zuge der Arisierung. 1944 wollte die Stadt Witten den Friedhof erwerben und als Park umgestalten, was aber nicht gelang. Im Zweiten Weltkrieg wurden einige Gräber vermutlich durch einen Bombentrichter zerstört.
Im Jahre 1950 wurde der Friedhof der "Jewish Trust Corporation" (1945 gegründete Treuhänderstelle für erbenloses jüdisches Eigentum) zugesprochen.
Seit 1962 ist der Friedhof im Besitz des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Westfalen. Am 24. September 2007 wurde der Friedhof in der Denkmalliste der Stadt Witten eingetragen (Listen-Nr. 268). Auf dem Friedhof befinden sich noch ca. 100 Grabsteine. Einige Gräber erinnern an die nationalsozialistische Verfolgungszeit mit Inschriften wie "umgekommen in Auschwitz".
Die Grabsteine gehören zu den letzten Zeugnissen jüdischen Lebens in Witten.
Der Friedhof ist nur zu Führungen oder besonderen Anlässen zugänglich.
Inschrift unten: "umgekommen in Auschwitz".
* * * * *
Der jüdische Friedhof in Witten-Annen
Im Jahr 1898 wurde auf dem 1884 eingeweihten kommunalen Friedhof Diesterwegstraße ein Bereich für jüdische Begräbnisse geschaffen. 1938 wurde dieser jüdische Friedhof eingeebnet und zur Beisetzung von Zwangsarbeitern aus dem Annener-KZ (KZ-Außenlager Buchenwald) genutzt.
Seit 1993 erinnern 2 Gedenksteine an den jüdischen Friedhof in Annen. Grabsteine sind nicht mehr vorhanden.
Erinnerungen an die Jüdische Synagogengemeinde Witten.
Am 30. Januar 1979 wurde die 165 m lange Kurzestraße in Synagogenstraße umbenannt.
P. Brandenburg - Karl-Heinz Hildebrand: Witten, Straßen-Wege-Plätze, Witten 1989
Straßenschild der Synagogenstraße in deutsch und hebräisch.
* * * * *
Gedenktafel am Wohnhaus Breitestraße/Synagogenstraße
Hier stand die im Jahre 1885 erbaute Synagoge der Jüdischen Gemeinde zu Witten.
Sie wurde im Nationalsozialistischem Ungeist von Frevlerhand in der Nacht des 9. November 1938 niedergebrannt. Im Jahre 1955 hat der Bauunternehmer Wilh. Roth dieses Grundstück von der Jewish Corporation Jüdischer Weltverband in London zum Zwecke der Wohnnutzung erworben.
Gedenktafel am Wohnhaus, dort wo einst die Synagoge stand.
* * * * *
Stele auf dem Friedhof Ledderken
Zur Erinnerung wurde am 14. März 1993 eine Stele auf dem Friedhof Ledderken eingeweiht.
"Zum ewigen Gedenken blicket her und sehet, ob ein Schmerz ist, wie mein Schmerz, der mir angetan worden ist". (Klagelied 1.12)
Auschwitz, Theresienstadt, Minsk, Riga, Lodz, Sobibor, Izbica, Majdanek, Bergen-Belsen, Stutthof, Buchenwald, Zamnosc, Sachsenhausen, Vught, Zasavica, Dachau, Natzweiler, Ravensbruck, Piaski.
Hier sind die 19 Konzentrationslager genannt, in denen Wittener Juden den Tod fanden.
* * * * *
Stahlplastik an der Stelle wo die Synagoge stand
Die Stahlplastik zur Erinnerung an die Synagoge wurde am 09. November 1994 eingeweiht. Der in Witten geborene Künstler Wolfgang Schmidt hat das Mahnmal 1994 im Auftrag der Stadt Witten geschaffen. Auf den Stahlplatten am Denkmal wird auf Hebräisch und auf Deutsch der Gründung des Gotteshauses im Jahre 1885 sowie seiner Zerstörung in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 gedacht. "Darüber weine ich so und mein Auge fließt von Tränen" (Klagelied Jeremias 1.16).
Die Wittener Bürgerschaft 1994
Stadtmagazin Witten, November 2008
* * * * *
Die Jüdische Gemeinde Witten wurde nach dem Krieg nicht wieder neu gegründet, da nur wenige Wittener Juden nach dem Krieg als Überlebende aus den Konzentrationslagern in ihre Heimatstadt Witten zurück kamen. Das Grundstück der Synagoge wurde 1950 der "Jewish Trust Corporation" zugesprochen, die es 1955 für Wohnzwecke verkauft.
Die Jüdischen Bürger von Witten gehören heute zur Jüdischen Gemeinde nach Dortmund.
In den Nachbarstädten sind die nächsten Jüdischen Gemeinden.
Jüdische Gemeinde Groß-Dortmund und Jüdische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen
Diese Seite wurde erstellt am 18.10.2013 und zuletzt aktualisiert am: Samstag, 30.11.2013