Landesheimatspiele der Provinz Westfalen auf dem Hohenstein bei Witten
Die ehemalige Freilichtbühne auf dem Hohenstein
Das Spieljahr 1927
Jugenddrama "Götz von Berlichingen" von Johann Wolfgang von Goethe
Spielzeit ab 26. Mai (Himmelfahrt) bis Oktober 1927, Mittwochs, Sonnabends und Sonntags jeder Woche um 3 ½ Uhr mit über 1000 Mitspielenden.
Einleitung von Dr. Konrad Maria Krug
Im Sommer 1927 soll das Waldgebiet des Hohensteins bei Witten, auf dem die Stadtverwaltung Witten eine der größten deutschen Freilichtbühnen eingerichtet hat, der Schauplatz werden jener gewaltigen Entwicklungszeit des deutschen Volkes, die den Umschwung vom Mittelalter zur Neuzeit bezeichnet, aus deren Kämpfen und Siegen, aus deren Niederlagen und Hoffnungen der jugendlichen Goethe die Welt und die Gestalten seines Götz von Berlichingen schuf.
Goethes "Götz von Berlichingen" soll das Drama des Sommers 1927 auf dem Hohenstein bei Witten sein. Es war eine lange Reihe von Erwägungen, die schließlich zu diesem Entschluß geführt haben; denn immer noch bleibt die Auswahl guter Werke für die Freilichtbühne karg und beschränkt. Wenn das Freilichtspiel seinem Wesen treu bleiben soll, wenn es Volksspiel in des Wortes edelster Bedeutung sein soll, wenn es volkstümliche Kunst jeder Art verkörpern soll, wenn es aber auch dem Besten im Volke dienen soll, dann ist gerade die Auswahl des Stückes eine Sache größter Verantwortlichkeit; denn das Freilichtspiel muß als Volksspiel einen Stoff gestalten, der, fern aller Sensationsfreude, geeignet ist, große Gedanken zu zeigen und zu wecken, der eine Hoffnung gibt auf starke, fruchtverheißende Zukunft.
Nach dem "Tell" von Schiller, der immer noch für die Freilichtbühne das stärkste Zugstück bleiben wird, erscheint mir gerade der "Götz" von Goethe die geeignetste Form, die die angegebenen Forderungen erfüllt.
Goethes "Götz" ist ein Jugenddrama. Er zeigt die unbeschwerte Frische, die zukunftsfreudige Bejahung aller Kräfte des Lebens, die das Wesen jeden guten Jugenddramas ausmachen, zeigt dies aber alles in der Gestaltung eines genial denkenden Menschen, wie es Goethe durch seinen Götz zum ersten Male mit mehr als deutschem Erfolg bewies. Der Stoff des Götz von Berlichingen, diese reich bewegte Handlung, die in einer aufregenden Zeit voll Werdemöglichkeiten die Werte deutscher Mannheit, Kraft und Führerfähigkeit zeigt, ist uns Menschen des 20. Jahrhunderts auch im Gewand der Vergangenheit vertraut wie ein Bild unserer Tage. Das Ringen des Ritters mit der eisernen Faust um Menschenrecht und Menschenwürde, um die Freiheit des Einzelnen und der Stände untereinander, wirken auf den modernen Menschen mit unerhörter Gegenwärtigkeit. Die Vertiefung, die Goethe diesem Kampfe gegeben hat, die Verlegung des Wertes wahrer Menschlichkeit ins Geistige, in die sittliche Kräfte der Wahrheit, der Treue und der Tat, sind jene Erfordernisse, die, wenn jemals, auch heute unserem Volke dringenstes Bedürfnis sind.
Die Gegenwärtigkeit der Gestalten und des Inhalts von Goethe´s Drama "Götz von Berlichingen" waren der entscheidende Grund, der mich veranlaßte, dieses Werk zur Aufführung auf dem Hohenstein zu wählen.
Erst die Erfahrung der verschiedenen Jahre hat mich gelehrt, daß die Inszenierung eines klassischen Dramas zum Volksspiel eine Art Zusammenfassung aller Kunst sein muß, soweit sie das Volk als Ausdruckform seines Wesens benutzt. Dazu gehört vor allen Dingen neben der dramatischen Gestalt und neben dem szenischen Massenbild das Volkslied und der Volkstanz; aber diese Zweige volkstümlichen Gestaltens müssen so stark aus dem Wesen des Dramas erwachsen, daß sie als durchaus zum Drama gehörig, als dessen Wesen erfüllend, empfunden werden können. Um das zu erreichen, um gleichzeitig eine seelische Grundlage zu schaffen, aus der heraus unsere Wittener Spielgemeinschaft den Götz als eigene Angelegenheit empfand, seine Darstellung aus bewußter Innerlichkeit gestlten konnte, um also alle erzieherischen Möglichkeiten eines Volksspiels ausschöpfen zu können, darum gründete ich im Spätherbst des vergangenen Jahres eine Gemeinschaft, die wir die "Wittener Werkgemeinschaft für deutsche Art und Kunst" nannten. Hier sollten in Vorträgen und praktischer Arbeit jene seelische Haltung, aber auch jenes technische Können geschaffen werden, aus deren Zusammenklang erst die Darstellung eines Volksspiels möglich ist. Die Inszenierung selbst vermeidet darum jeden Eingriff in das Goethe´sche Wollen. Kürzungen, die das Theater aus technischen Notwendigkeiten vornehmen muß, waren auch bei meiner Inszenierung unvermeidlich. Schwieriger aber war die Anordnung des Spieles auf einem gleichbleibenden Bühnenraum. Die Bühnenausgabe selbst, die Goethe im Jahre 1804 veranstaltete, sieht noch 42 Szenenwechsel vor. Die Freilichtbühne hat aber nur einen Spielraum. Darum mußte eine starke Scheidung der Handlungen im Götz (die Götz-Handlung von der Weislingen-Handlung) durch zwei charakteristische Bauten, der Burg Jaxthausen und des Bischofs-Sitzes zu Bamberg, äußerlich sichtbar gemacht werden. Dadurch, und durch ein starkes Ineinandergreifen der Szenen wurde es möglich, die Handlung in zwei großen Abteilungen spielen zu lassen. Wie das möglich geworden ist, das muß Gegenstand das Anschauens in den Aufführungen des Sommers werden.
So möge denn in diesem Sommer das Spiel von "Götz von Berlichingen" auf dem Hohenstein bei Witten vielen Tausenden das werden, was alle Veranstalter davon erhoffen:
"Ein Zeichen von des Volkes Streben, ein Lied von Volkes Leben und eine Hoffnung auf unseres Volkes glückumsonntes Vorwärtsgehen."
Dr. Konrad Maria Krug, Künstlerische Gesamtleitung
Verkehrsamt Stadt Witten: Landesheimatspiele der Provinz Westfalen Witten-Ruhr 1927
Diese Seite wurde erstellt am 09.10.2008 und zuletzt aktualisiert am: Donnerstag, 29.01.2015